· 

Interartliche Kommunikation

Planet der Hunde

 

In vielen Fachbüchern finden sich immer wieder Abschnitte über die Artenvielfalt von Hunden und ihre tolle Anpassungsfähigkeit. Man liest dort, dass vom Chihuahua bis zum Irischen Wolfshund eine unvergleichliche Größenvarianz besteht, dass sich vom Knuddelhund bis zum Kriegshund eine schier unglaubliche Nutzungsbreite aufgebaut hat und dass Hunde sich sogar an Wüstengebiete angepasst haben, egal ob da nun Sand oder Eis liegt. Hunde bekommen im Durchschnitt mehr Welpen als Menschen Kinder. Der Mensch und der Hund haben sich zur selben Zeit domestiziert, so sagen manche Autoren. Wieso und wann hat eigentlich der Mensch den Wettlauf um die Weltherrschaft gewonnen? Am besseren sozialen Umgang kann es ja irgendwie nicht liegen. Wie sähe denn so eine Welt aus, in der der Hund das Sagen hätte?

Manchmal wundere ich mich über meine eigenen Gedanken. Wie komme ich jetzt drauf? Im Regal entdecke ich die Blu-ray Collection vom Planet der Affen. ‚Siehste‘, denke ich bei mir, ‚die gleichen bekloppten Gedanken hatte schon ´mal ein anderer… nur anders!‘

Die Blu-ray dreht ihre Runden treu über dem Laser des Abspielgerätes und Charlton Heston… (Natürlich hab ich das Original von 68!)…ist mittlerweile mit seinen Raumfahrer-Kollegen nach über 2000 Jahren wieder auf einem für ihn erstmal unbekannten Planeten angekommen. Sie schlendern zu dritt über ein paar landschaftlich mehr oder weniger schöne Ecken und dann treffen sie auf Menschen, eher so Richtung Steinzeit, aber immerhin Menschen und los geht’s mit der eigentlichen Story. Ein Schrei, die Urzeitmenschen laufen in wilder Panik durcheinander und versuchen in einem Maisfeld unterzutauchen. Unerkennbare Gestalten dreschen mit Stöcken den Mais nieder, Schüsse, man sieht Gewehrläufe und da sind dann auch die Pferde. Weiteres Flüchten, wildes Rumgereite und endlich erkennt man Affen, allen Anschein nach Gorillas, die die armen Menschen zusammentreiben und dann schließlich einfangen.

An dieser Stelle habe ich mir einmal die Mühe gemacht und versucht zu erkennen wann und woran ich wohl erkenne, was die Gorillas gefühlsmäßig umtreibt. Ich bin kein Affenexperte, aber die Mimik der Gorillas im Film ist nichtssagend. Auch wenn der Film für die damalige Zeit großartig gemacht ist: die Masken der Gorillas lassen nur wenig bis keine Mimik zu. Einzig die Augenpartie lässt den Zuschauer eine Gefühlsregung erahnen. Alles andere am Affenkostüm ist sehr grobmotorisch und eher durch die parallel gezeigte Gestik interpretierbar.

An dieser Stelle bin ich erstmal glücklich, dass man damals nicht auf die Idee gekommen ist, reale Affen zu verwenden.

Ab jetzt entwickelt sich der Film zu einem großartiges Meisterwerk voller Denkanstöße, die heute immer noch aktuell und universell austauschbar sind. „Men have no understanding“ , „Menschen haben keinen Verstand“ sagt Dr. Zaius (der Bewahrer der alten Gesetze) gleich zu Beginn als Zira (die fortschrittliche und offene Wissenschaftlerin) für Verständnis wirbt und den wilden Menschen mehr als nur ungebildete und ungezähmte Rohheit zusprechen will.

Es ist teils immer noch in vielen Menschenköpfen verankert, dass auch Menschen so über Menschen denken. Natürlich spiele ich auf Rassismus an, aber selbst in der Arbeitswelt, finden wir doch viele Vorgesetzte, die mit dieser Prämisse ihr „Sklaventeam“ anleiten. Wie können wir in so einer Zivilisation erwarten, dass Menschen anderen Arten gegenüber offen sind und in Tieren mehr als nur unberechenbare, mindere Geschöpfe sehen, die den geistigen Leistungen eines zivilisierten, gelehrten Menschen nicht annähernd gerecht würden. Ich hab das Gefühl, Tiere denken darüber anders.

Keine Angst, ich werde jetzt nicht den gesamten Film „Planet der Affen“ erzählen und dann interpretieren. Mein eigentliches Gedankenexperiment war ja das folgende: ‚Wie würde ein Welt aussehen, in der Hunde die regierenden Lebewesen wären?‘ Der Planet der Affen gibt uns eine paar geeignete Szenen, um einen Vergleich zu wagen. Kehren wir gedanklich zu der Sequenz zurück an der wir den Affen zum ersten Mal begegnen und schreiben den Film etwas um:

Charlton Heston schlendert wieder mit seinen Raumfahrer-Kumpels über ein paar landschaftlich mehr oder weniger schöne Ecken und trifft die Urzeitmenschen, die durch einen Heullaut aufgeschreckt werden und vor Angst durch ein Maisfeld davonlaufen. Unerkennbare Gestalten preschen bellend durch den Mais und treiben die Menschen zusammen. Wir würden keine Hunde auf einem Pferderücken erwarten oder? Dass Hunde in irgendeiner Zukunft einmal Gewehre mit sich rumschleppen, halte ich persönlich nicht für ihr Ding, aber was weiß ich schon. Aber schauen wir doch mal auf die Gesichter der Hunde. Wir erkennen Ihren Anführer an den gefletschten Zähnen. Natürlich ist es ein riesenhafter schwarzer Schäferhund, wir müssen dem Klischee ja irgendwie gerecht werden. Er zeigt uns nach vorne gerichtete Ohren, sein Körperschwerpunkt liegt auf den Vorderbeinen. Er blickt einen anderen Hund seiner Meute an, der zwar irgendwie auch die Zähne fletscht und seine Mimik und Gestik drohend nach vorne ausgerichtet hat, aber nicht so beeindruckend wie unser schwarzer Anführer. Nr. 2 möchte klarstellen, dass Charlton Heston mit ihm jetzt besser kein Apportierspiel anfangen soll, aber gleichzeitig seinem Chef signalisieren, dass er ihn als Chef ohne Zweifel anerkennt. Nr. 2 versteht den Blick und die kaum wahrnehmbare Kopfbewegung des Anführer und setzt sich zusammen mit 3 anderen in Bewegung, um Heston einzukesseln und mit leichten Bissen in die Fersen oder lauten Gebissschnappen in die gewünschte Richtung zu buxieren.

Charlton Heston bekommt von alledem nur mit, dass da ein schwarzer Hund gefährlich die Zähne fletscht und plötzlich ihm ein anderer in die Wade beißt. Er meckert den Beisser an: „Ey was soll das?“ Nr. 2 sieht ihn an, versteht kein Wort hört den aggressiven Tonfall in der Stimme und die versteifte, leicht drohende Körperhaltung und reagiert dementsprechend mit einem weiteren Abschnappen und einem lauter-werdenden Knurren. Die Nackenhaare stellen sich auf, das Gekräusel auf dem Nasenrücken lässt unglaublich tiefe Furchen erkennen. Heston sieht nur einen knurrenden Hund der weiterhin die Zähne fletscht und sagt jetzt den entscheidenden Satz: „Kannst Du nicht reden wie jeder vernünftige Mensch?“.

Natürlich kann Nr. 2 das nicht! Er ist ein Hund. Deswegen ist die Frage so unglaublich schön falsch und müsste eher heißen. „Kannst Du nicht so kommunizieren, dass ich das auch verstehe?“

Wie oft höre ich das. Ein Halter sagt zu seinem Hund: „…aber Du kannst ja nicht reden.“ Wie oft möchte ich dann sagen: „Du kannst nur nicht zuhören.“ Hunde kommunizieren nun einmal nicht über die Stimme, weil es anatomisch nicht möglich ist. Dafür haben sie aber eine ganz andere wunderbare Art und Weise miteinander zu kommunizieren und diese ist viel vielfältiger als wir Menschen uns das vorstellen können. Aber weiter in unserem Gedankenexperiment.

Charlton Heston ist schlau genug, sich der Hundemeute zu unterwerfen und ihrer Folge zu leisten. Die Hunde haben viel Geduld mit dem scheinbar sturen und dummen Menschen und schaffen es ihn in ein Loch im Boden zu drängen, das als Gefängnis dient. Wir hoffen ja auf ein Happy-End. Also gibt es auch in unserem Film eine gutmütige Wissenschaftlerin Zira, wahrscheinlich eine unglaublich perfekt aussehende Colliehündin, die es schafft, mit viel Ruhe und Souveränität unserem Gefangenen die Regeln der hundlichen Kommunikation beizubringen. Sie hilft ihm zur Flucht, er reitet mit Nova in den Sonnenuntergang.

Spätestens in dem Filmabschnitt, in dem Heston mühsam die hundlichen Umgangs- und Kommunikationsformen erlernt wird klar, warum es ein Planet der Affen geworden ist und kein Planet der Hunde. Ohne Sprache wäre das ein ziemlich langer und langweiliger Film geworden und nur ein sehr geringer Anteil der Zuschauer hätte verstanden, was auf der Kinoleinwand passiert. Unser Planet der Hunde wäre als der uninteressanteste und unverständlichste Film der Welt in die Annalen der Filmgeschichte eingegangen und genau da komm wir jetzt zu des Pudel’s Kern.

Wenn wir als Menschen die Verantwortung für ein Tier übernehmen, egal ob Hund, Katze, Maus, Schlange oder zu was immer wir uns hingezogen fühlen, dann sollte uns bewusst sein, dass wir ein gesundes Maß an Interesse und Verständnisbereitschaft für die uns anvertraute Spezies an den Tag zu legen haben. Und zwar an jeden Tag!

Hunde kommunizieren mit uns unter denselben übergeordneten Regeln der Kommunikation denen auch wir unterliegen, nur in einer anderen Sprache.

Wenn Hunde sprechen lernen könnten, würden sie es uns zu liebe tun! Sie können es aber nicht! Wir aber können ihre Sprache verstehen lernen und in abgewandelter Form darauf antworten. Je besser wir mit unseren Tieren kommunizieren, desto weniger Missverständnisse werden auftreten. Je weniger Missverständnisse auftreten, desto weniger Tiere werden im Tierheim oder bei der Euthanasie landen.

 

 

 

Thies Son (aus: Mein Leben als zertifikatierender Hunde-Bio-Verhaltensconsultant)

 

 



Kommentar schreiben

Kommentare: 0